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Überraschung!

Seit Tagen leben wir neben einem zugepickten Umschlag. Er hängt auf einer mit Holz eingerahmten schwarzen Tafel, auf die ich von Zeit zu Zeit schlaue Sprüche aus weißen Buchstaben setze. Dieses Mal interessiert das Geschriebene keinen. Nur dieser Umschlag.

Die Frauenärztin hat mir darin gesteckt, ob unser Baby ein Bub oder ein Mädchen wird. Bei jedem einzelnen Vorbeigehen schießen mir beide Szenarien in den Kopf. Und obwohl ich nicht weiß welche ich schöner fände, habe ich so ein Gefühl für ein Mädel…

Morgen ist es endlich so weit! P. hat Geburtstag und wir lüften das stechend-hämmernde Geheimnis gemeinsam. Ganz ehrlich: Dieser Heckmeck ist schon zach wenn man nicht neugierig ist. Aber für jemanden der immer alles wissen muss (aka mich) ist das hier pure Folter.

Mir fällt ein, dass in meiner Tasche noch ein USB-Stick mit Ultraschallbildern vom letzten Termin ist. Und bevor ich ihn verleihe, verschenke oder (am wahrscheindlichsten) verliere, will ich die Fotos auf den Laptop rüberladen. Ordnung muss sein. Ich stecke das Datending also in den Mac und warte bis sich ein Fenster öffnet. Sie mir anzuschauen bringt nichts, weil ich sowieso nie was drauf erkenne. Nur um zu kontrollieren ob alles da ist, klicke ich sie deshalb recht lieblos in der Vorschau durch. Und sehe ein Geschlechtsteil!

Adäquat groß. Und nach meinem Beurteilungsvermögen nicht das eines Mädchens. Mein Puls steigt, ich spüre die Journalistin in mir und google: „Baby Ultraschall Geschlecht Unterschied“ Ich lege meinen Kopf rechts, dann links, kneife meine Augen zu kleinen Schlitzen. Auf manchen Bildern ist etwas eingekreist. „Das erkennt doch kein Mensch“, nuschle ich leise vor mich hin, als die Haustür ins Schloss fällt und P. heimkommt. Als wäre ich ein Teenager der heimlich Schmuddelfilme schaut, klappe ich den Bildschirm zu und begrüße ihn mit einem zu wenig wissenden Lächeln.

14 Stunden später sitzen wir unter bunten Luftballons beim Frühstück. Der große Tag. Endlich! Ich hab weder Hunger noch Durst, sondern einfach nur Neugierde und will jetzt dieses verdammte Ding aufmachen. Mein Bauchgefühl sagt Mädchen. Der Ultraschall irgendwie was anderes. Aber Beine und Penisse schauen sich in diesem Entwicklungsstadion auch noch recht ähnlich...

P. löst ganz langsam die Laschen, zieht den Zettel raus, liest ihn wortlos und zappelt dann mit den Füßen am Boden. „WAS IST ES?!“ schrei ich ihn an. Der Typ macht mich fertig! Er schiebt mir den ominösen Zettel rüber und lächelt. In meinen Kopf überschlagen sich Buchstaben und Ausrufezeichen.

Dann zapple ich auch und freue mich so sehr, dass mir fast das Herz übergeht.

Man sagt ja, das Bauchgefühl ist ein verdammt kluger Kopf. In diesem Fall war es das Ultraschallgerät. Was für eine grandiose Überraschung :-)

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