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Schweigen ist Gulden

Ich bin eher konfliktscheu. Also mich nerven Sachen schon und ich reg mich auch auf – aber wenns dann drauf ankommt, probier ichs statt der Drahtbürste immer eher mitm Weichspüler. So wünsche ich unfreundlichen Mitarbeitern bei meinem Telefonanbieter nach einer weiteren unerklärlichen Tariferhöhung einen entspannten Abend. Ich sag, wenn beim Service die Scheibenflüssigkeit verrechnet aber nicht aufgefüllt wurde, dass mir meine Anmerkung dazu sehr leid tut und ich gar nicht stören will. Ich schreibe in Beschwerdemails am Ende „freundliche“ oder sogar „liebe Grüße“ und vergesse niemals Anrede, danke und bitte. Ich möchte einfach niemanden den Tag vermiesen und ein guter Mensch und kein Arsch sein. Oft bringt das was – oft aber auch nicht.

Wie dem auch sei – gestern wollte ich Bad Ischler Gulden kaufen. Und weil ich nicht einmal weiß, wo man die Dinger herkriegt, google ich Ischler Tourismusverband und rufe dort an. Ich stelle mich der Frauenstimme am anderen Ende der Leitung vor und schildere mein Anliegen. „Einkaufsgulden haben wir nicht.“ Ähm… okay…?! Meine Längsfalte zwischen den Augenbrauen formiert sich und ich schüttle ungläubig den Kopf. „Aber seit wann denn nimmer?“ will ich wissen. „Wohl schon länger, wenn ich sie nicht kenn.“ Ich bin nicht sicher, ob die Dame einen trockenen Humor oder einfach kein Gheat-si hat.

„Da stand doch vor kurzem noch was drüber in der Zeitung. Sind Sie sicher, dass es die Münzen nicht mehr gibt?“ Die Frau atmet hörbar genervt aus. Sie hat keinen trockenen Humor.

„Wir haben keine Einkaufsgulden!“ Phu. Ich helfe ihr noch einmal. „Geh! Das ist eine lokale Einkaufswährung bei euch. Für sämtliche Gewerbe- und Handelsbetriebe in der Stadt.“ Sie schnauft. Und ich begebe mich auf neues - konsequentes - Terrain. „Machen Sie vielleicht gerade ein Praktikum im Tourismusverband? Fragen Sie doch bitte jemanden, der sich besser auskennt…“ Jetzt bin ich nervös. Mir wird heiß und ich krieg Bauchweh. Ich streite mich gerade!!! „Ich brauche niemanden fragen, weil wir sie einfach nicht haben. Ist sonst noch was?!“ Wäre ich wie immer, würde ich jetzt verneinen, mich bedanken, einen schönen Tag wünschen und noch ein Schmähdl für die Stimmung reißen. Aber das muss aufhören. Jetzt! Und so nehme ich meinen ganzen Mut zusammen. „Es tut mir ja leid, aber ich habe nicht das Gefühl, dass Sie sich irgendwie um mich bemühen.“ Yes! Weiter. „Ich will etwas kaufen, das am Ende in die Wirtschaft fließt und gerade in Zeiten wie diesen sollte das auch Ihnen klar und wichtig sein.“ So. Bin ich zu hart ist sie zu weich. „Dass ihr immer noch diesen schon ewig toten Kaiser als Aushängeschild hervorzaht – obwohl er historisch gesehen niemand ist, den man mit Stolz auf Plakate drucken müsste – ist das Eine. Aber einer Interessentin einfach keine Auskunft darüber zu geben, ob man diese gottverdammten Ischler Einkaufsgulden bei euch kaufen kann, ist schon fast überheblich.“ Sie will was sagen – ich aber auch! „Ich hoffe, Sie verfahren mit Touristen nicht genau so, sonst vertreiben Sie die schon, bevor sie hierherkommen. Ach und wissen Sie was?! Diese blöden Gulden könnt´s euch ghalten!“ Meine Schläfen pochen. Meine Wangen glühen vor Angriffslust. Und Angst. So war ich noch nie! „Ich verstehe ja Ihren Unmut“, beginnt sie kleinlaut. Klar - jetzt kommt die große Entschuldigung. Und die erwarte ich mir auch. „Aber Sie sind in der Tourismusinformation Ischgl und auch wenn ich mich auf den Kopf stellen würde, hätten wir keine Einkaufsgulden. Verstehen Sie das?“ Erst nicht. Dann schon. Ich beschimpfe eine Tirolerin. Weil sie mir etwas nicht verkauft, das sie nicht hat. Meine Güte. Ich stammle etwas von Missverständnis und Google. Aber die Frau hat schon aufgelegt... Ich werde ihr wohl eine Mail schreiben. In altbewährtem Stil. Mit Entschuldigung und lieben Grüßen am Schluss. Und in diesem Fall sogar einem Bussi-Emoji.

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