Vom Zähne zeigen...
Mittwoch diese Woche. Das schrille Geräusch des Bohrers singt im Wartezimmer. Dann werde ich mit meinem alten Nachnamen aufgerufen. Wie immer hier. Mein Zahnarzt bittet mich auf den Looping-Folterstuhl und fährt mich kopfüber nach hinten. Mein Gesicht auf fremder Menschen Arschhöhe - cool! Mir schießt das Blut in den Kopf. Ich soll den Mund weit aufmachen, er inspiziert gemächlich alle 30 Zähne (kein Mensch weiß, warum ich noch immer keine Weisheitszähne habe...)
„Es gibt ein kleines Locherl rechts oben hinten. Da müssen wir bohren,“ nickt er seiner Assistentin zu. Bevor ich verstehe, was das bedeutet, habe ich einen Absaugeschlauch im Mundwinkel hängen und er eine Spritze in der Hand. Er beugt sich über mich und setzt die Nadel an. Ich kneife wehleidig die Augen zusammen, dann warten wir auf die Wirkung.
„Waren´s wo auf Urlaub Frau Spreitzer?“ will er wissen. Ich nicke geduldig, das Schlaucherl sammelt krächzend Speichel. „Wo denn?“ Mit weit geöffnetem Mund sage ich: „A-A-A-L“. Er schaut auf die Uhr. „Und, waren´s alleine dort?“ Ich bemühe mich. „A-AH-N.“ Oh, wenn ich einen Teil der Zunge auf den Gaumen lege, schaffe ich ein N!!!
Er beginnt zu bohren. Wassertropferl spritzen mir in die Augen, er hämmert und nigelt. „Tut es weh oder geht´s?“ Ich versuche ein „WEH“, höre aber nur den röchelnden Spuckezuzler. Seine Assistentin beobachtet den Vorgang ganz nahe über mir. Ich verfolge den Schwung ihrer aufgemalten Augenbrauen. „So Seline, jetzt sind wir so weit.“ Der Doktor zeigt ihr irgendein Eisenteil, Seline nickt. „Darf ich das auch mal versuchen, Chef?“
NEIN, DARF SIE NICHT!%!!
„Selbstverständlich. Komm herüber.“ Das Blut in meinem Kopf pulsiert, mein Kiefer tut weh, ich möchte husten und Seline versucht sich an meiner Galerie! Herr, wirf Verständnis vom Himmel!
„Oh, da käme man aber schon mit der Zahnseide hin...“ stellt sie angesichts meiner Baustelle fest und straft mich mit einem Seitenblick. „Ja, da müsste man generell mehr dahinter sein...“, ergänzt der Gott in ausgewaschenem Weiß unnötig.
Eine gefühlte Ewigkeit (mit vier parallel herumfuchtelnden Händen in meinem Mund) später ist dann Ende in Sicht. „Sie dürfen sich jetzt aufsetzen und ausspucken, Frau Spreitzer!“ Mir ist ein bisserl schwindelig. Dann sammle ich mich aber akut.
„Ich bin hier gerade 45 lange Minuten kopfüber gehängt und möchte unbedingt sagen, dass ich meine Zähne sowohl regelmäßig putze, als auch meterweise Zahnseide verwende. Das da hinten ist echt schwer zum Hinkommen und ich habe mir diese engen Zwischenräume auch nicht ausgesucht!“ Das Becherl zum Ausspucken füllt sich in Zeitlupe mit Wasser. Die beiden werfen sich verdatterte Blicke zu.
„Und zu Ihren Fragen: Ich war in Portugal auf Urlaub; mit meinem Mann, dessen Nachnamen Sie sich seit mehr als drei Jahren einfach nicht merken und mich deshalb jedes mal falsch ausrufen und ansprechen. Ich bin nicht böse, aber es ist wirklich nicht schwer: S-C-H-W-A-R-“. Dann werde ich unterbrochen. Ein schlatziger Fleck mit roter Färbung. Er wird rapide größer, mein Leiberl immer nasser. Ich greife in mein Gesicht und spüre, dass die rechte Hälfte komplett gelähmt ist. Meine Güte, ich muss ausschauen wie Karl Dall! Und senan wie ein Bernhardiner! Ich ergreife die Flucht nach vorne, trinke aus dem Spül-Becherl und merke, dass mir auch diese Flüssigkeit unbeeindruckt aus dem Mund rinnt. Wen wollte der Typ betäuben? Ein Pferd?! Ab jetzt kann ich hier nur noch verlieren. Ich nuschle eine Entschuldigung und verlasse hastig den Behandlungsraum. „Machen Sie sich einen Termin zur Nachkontrolle aus Frau Spreitzer“, schreit mir der Zahnarzt noch nach. Ich bleibe stehen, halte kurz inne, forme meine Hände zu einem Schüsserl - direkt unter meinem Kinn - und gifte aus aufeinandergepressten, speichelgetränkten Lippen und mit letzter Kieferkraft: „CHWARS!!!“
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