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Rollenspiele

Ich bin in Salzburg bei unserem jährlichen Wissenschaftlichen Meeting. Hier trifft sich das “Who is Who” der Rückenmarksforschung. Jemand aus Harvard. Wer aus Yale. Einer von der Charité Berlin. Und ich. Aus Goisern. Gleich am Vormittag sitze ich einem unglaublich gescheiten Menschen gegenüber, um über die Fortschritte seiner Studie zu reden. Er Chinese und mehrfach prämierter Superforscher. Ich maximal ehrfürchtig und um eine lockere Eisbrecherfrage bemüht. Also: „What did you have for breakfast?“ Stille. Ziemlich lange sogar. Dann lacht er ein bissl ungläubig und sagt irgendetwas mit Yoga. Zwar schwer verständlich, aber hey: Wir haben eine Gemeinsamkeit! „Ahh, downward dog“, freue ich mich und täusche die Herabschauende-Hund-Figur an, indem ich beide Arme in die Luft reiße und mich kopfüber in Richtung Boden fallen lasse. Er lächelt, schüttelt aber unsicher den Kopf. Offensichtlich ein Anfänger. „Cat and cow“, nenne ich weitere Yoga-Positionen, strecke den Busen raus und rolle mich dann in einen Katzenbuckel. Er scheint verängstigt. Aber warum?! „YOOOGAA!“ sage ich langsam und laut. „Joooghuuurt!“, korrigiert er leise. Oh. Okay... Jetzt bleibt mir nichts, als in ein professionelles Interview überzugehen. Also, so professionell es halt möglich ist, wenn man seinem Gesprächspartner erst Tiernamen aufzählt und sich dann als fast 1,80-Lackl semielegant und ohne ersichtlichen Grund komplett dehnt...

Naja.

Nach dem Interview ist jedenfalls vor dem Essen. Auf dem Weg dorthin stoppt mich ein altes Pärchen, Gäste des Kongresshotels. „Gehören Sie hier dazu?“, fragt mich der (in klischeebrav beige gekleidete) Mittachziger. Ich dürfte wohl sehr intelligent ausschauen, wenn man mich sofort dieser Truppe Wissenschaftlern zuordnet. Ich bestätige seine Vermutung mit einem durchaus stolzen Nicken und werde gebeten, mitzukommen. Keine Ahnung, was die beiden von mir wollen. Vielleicht ein Foto oder Autogramm. Ich folge ihnen durch einen breiten Teppichflur, versuche Smalltalk, bekomme aber keine Antworten. Sicher die Ehrfurcht. „Unsere Zimmerkarte geht nicht. Das ist wirklich ärgerlich“, drückt mir der Herr das Plastikding in die Hand. Ich verstehe nicht ganz, gebe ihm aber recht und zeige vor, wie man sie richtig benutzt. Als die Zimmertüre offen ist, soll ich mit rein. Ich vermute, dass sich die beiden sehr freuen, jemand so spannendes zu treffen und einfach Zeit mit mir verbringen wollen. „Unser Wasserkocher geht nicht“, zeigt die Dame auf das Gerät. Das ist natürlich schade. Ganz aus dem Affekt suche ich nach dem Problem und behebe den Wackelkontakt mit einem kurzen, festen Schlag auf den Metallteil. „Also. Was kann ich denn jetzt für Sie tun?“ frage ich schließlich. Fanliebe ja, aber dauerhaft sicher nur mit einem strengen Zeitplan machbar. „Ah genau, wir kommen heute etwas später zum Essen.“ Ich nicke. Dann stehen wir drei uns wortlos gegenüber. Die beiden mustern mich. Ich zupfe an meinem Leiberl, wippe etwas vor und zurück. „Ja dann... Noch ein Foto?“ klatsche ich in die Hände und nicke motivierend. „Nicht nötig. Es funktioniert ja jetzt alles. Nehmen Sie das bitte noch mit?“ Der Mann überreicht mir ein hellgelbes Porzellanteller mit abgelutschten Zwetschgenkernen, einem übrig gebliebenen Stückerl Pfirsich und einem halben Apfel. So schiebt er mich aus dem Zimmer. Verwirrt versuche ich die vielen Missverständnisse zu sortieren und starre auf die Obstreste. Fehlt eigentlich nur noch Joghurt...

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