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Mein Höhenflug

Das Leben ist manchmal eine außergewöhnliche Aneinanderreihung genialer Zufälle. Und so fliege ich heute mit einem Privatjet zu einem Termin.

Alles beginnt am Weg zum Rollfeld. Dort schlägt mir ein stürmischer Nieselregen ins Gesicht und versucht angestrengt mich vom Flugzeug fernzuhalten. Macht mir aber nix. Ich habe ausgiebig gefrühstückt, fühle mich wie ein sicher in den Hafen schipperndes Kleinboot und das bissl Wind und Wasser tun mir gar nichts! Mit mentaler Stärke und voll vorfreudigem Optimismus erreiche ich mein Ziel und starte gleich eine charmante Vorstelloffensive mit den drei Piloten, die schon vorm Flieger warten. „Wow! Piloten! Ihr kennt euch sicher mit so einem Wetter aus, stimmt´s? So cool! Damals, als ich nach Mallorca geflogen bin...“ Einer der Herren hebt den Arm. Sie seien „Mascherla“ unterbricht er mich höflich. Ich nicke verständnisvoll und murmle ein: „Selbstverständlich...” Später an diesem Tag wird mir Google erklären, dass sie Marshaller, damit Einweiser und nicht interessiert an meinen Nähkästchen-Fluggeschichten waren.

„Guten Morgen, wir sind bereit“, winkt dann jemand aus dem Privatjet. Einer der wirklichen Piloten. Hibbelig lasse ich noch ein Erinnerungsfoto von mir machen, werfe dann meine vom Regen angefeuchteten Haare in den Nacken und beginne mit dem Einstieg in das Klasseding. Es dauert zwei Sekunden, bis ich mir den Kopf so arg anhaue, dass ich mich aus Selbstschutz wie ein Shrimp zusammenrolle und gebückt weiter torkeln muss. So lasse ich mich auf den erstbesten weißen Ledersitz fallen. Bestimmt hab ich ein Kat. Oder eine Gehirnerschütterung. Oder einen Schädelbruch. Um Gottes Willen, was wenn ich während des Fluges sterbe!? Ich überlege, wo ich im Notfall einen Arzt herkriege und welche Nummern mir gerade auswendig einfallen. Keine! Amnesie!!! „Man kann sich jetzt anschnallen, wenn man möchte“, dreht sich einer der Piloten vom Cockpit um. Ich darf selbst entscheiden, ob ich mich anschnalle?! OK, jetzt ist es offiziell: Ich bin die Königin der Welt! Als diese hänge ich mich lässig in den Sitz, bemerke dann aber ein leichtes Ruckeln und will doch lieber festgeschnallt sein. Ich suche den Sicherheitsgurt und greife zwei Enden die nicht zusammenpassen. Jemand muss mir helfen...

In der Luft werden Getränke und diese köstlichen Gewürznusserl serviert. Ich nehme eine große Handvoll und schiebe sie mir in den Mund. Für jemand Außenstehenden mag es gierig wirken – ich aber genieße das Glück. Gerade verteilt es sich gleichmäßig in meinem Bauch. So wie die Nusserlreste auf meinem Leiberl. Als mir das auffällt, will ich aufstehen um alles sauber zu schütteln, werde dann aber vom Gurt zurück in den Sitz gezerrt. Abschnallen ist nicht, weil ich ja Anschnallen nicht kann. So lasse ich - nach einem kurzen Anflug von Panik - das Geschehene ungereinigt und breche mir meinen letzten verbliebenen Fingernagel ab, weil ich versuche eine Dose zu öffnen. Durstig und mit Glutamatgeschmack im Mund genieße ich die unbezahlbare Aussicht auf die Alpen. Nach einer knappen Stunde landen wir. Als ich mich abschnalle und aufstehe, scheint meine Flugzeughöhenlehre von vorhin wie ausgelöscht und ich schlage mir wieder den Kopf. Dieses Mal an einer Ablagefläche auf Stirnhöhe. Etwas schwindelig überkommt mich beim Anblick des Ledersitzes Scham. Mindestens ein Kilo der verreckten Nüsse. Die andere Hälfte ertaste ich zermalmt auf meinem A*.

Mir bleibt keine Zeit für Hygiene – wir müssen aussteigen. Dabei wünsche ich mir, dass mich genau jetzt die Menschen sehen, die mich damals nie beim Flaschendrehen dabei haben wollten. Leider ist keiner von ihnen da. Als mir das klar wird, greife ich mir schwerfällig auf den pochenden Kopf und spüre eine mutierende Beule. „Stimmt etwas nicht?“, fragt der Pilot sichtlich besorgt über meine Stagnation. „Alles super”, kichere ich und täusche vor, mir lediglich eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu wischen. Dann denke ich an den Baustellendreck, dem ich mich in wenigen Stunden wieder hingeben muss, unterdrücke meine Schmerzen und zelebriere in Zeitlupentempo meinen ersten (und wahrscheinlich lebenslang einzigen) Ausstieg aus einem Privatjet.

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