Hund. Oder Baum.
Buddy ist ein Parson Russell Terrier, hat borstiges Fell und warmherzige Augen. Kommt es bei seinen Besitzern – meinen Schwiegereltern – zu Terminkollisionen springe ich als Backup in die Bresche. Ich biete dem freundlichen Viecherl also Aufnahme in der Ausnahme.
Dazu muss man wissen:
Ich bin keine größeren Tiere gewohnt, sondern mit Meerschweinchen aufgewachsen. Also nicht direkt miteinander, sondern... ach egal. Einmal hat jemand in der Familie einen verwaisten Mader heimgeschleppt und dann haben wir uns noch um einen Raben gekümmert. Das war´s. Mit Hunden bin ich also nicht wirklich vertraut. Darum pendle ich an Aufsichtstagen manchmal zwischen Überforderung und Unwissenheit. So auch letzte Woche.
Buddy begleitet mich als Beifahrer nach Salzburg. Als ich bei Spar einparke, erkläre ich ihm meine bevorstehende kurze Abwesenheit pragmatisch und hundgerecht. Er mustert mich hörig und seine Augen beginnen das hundifizierte Leid zu verkörpern. Ehrlich: Vergesst verwaiste Katzenbabys, aus dem Nest gefallene Spatzenkinder oder übergewichtige Flauschhasen: DAS HIER vor mir scheint das ärmste Tier dieser Welt zu sein. Um mir nicht PETA einzufangen, verlasse ich ihn nicht und verzichte auf Frühstück. Zwölf Minuten später - und als hätte es nie eine emotionale Grenzerfahrung zwischen uns gegeben - begrüßt Buddy in der Arbeit alle Anwesenden überschwänglich. Ich rufe mehrmals und in verschiedenen Tonlagen seinen Namen, um ihn in mein Büro zu navigieren. Im Streichelrausch ignoriert er mich aber völlig und lässt sich dann unbeirrt in der Küche fallen. Acht Kilo – nicht auf mein Kommando. „Normalerweise hört er auf mich“, stelle ich vor den anderen klar. Dann hebe ich das träge Bröckerl hoch und hieve es haxelnd dorthin, wo es heute hingehört. Durch die Glastüre hypnotisiert Buddy dann andauernd Menschen so lange, bis sie zu uns reinkommen und ihn kraulen. Ich versuche die Ausbeuterei des haarigen Genusslers zu ignorieren und konzentriere mich auf meine Arbeit. Mittag gehen wir raus. Bei der Hundewiese angekommen, lasse ich ihn frei laufen. Während er alles beschnuppert und sich freut, spaziert eine betagte Dame zielstrebig auf mich zu. Sie stellt mir – unaufgefordert - ihren ganzen Stolz, Labrador Tommy, vor. Die zwei Tiere spielen und die Frau erzählt. Vom Gassi gehen, künstlichen Hüften und zeitintensiver Fellpflege. Während sie monologisiert, sehe ich im Augenwinkel, wie Buddy beginnt den behüteten Tommy zu besteigen. Und zwar nicht auf die romantische Art. Ich ahne Schlimmes, versuche den Blick der Frau zu halten und stelle Rückfragen, wo es keine gibt. „Was bitte macht denn Ihr Hund da?!?“ unterbricht sich die Dame schließlich entsetzt selbst. „Tja offensichtlich outet er sich gerade“, versuche ich wegzulächeln, was für sie wohl nicht wegzulächeln ist. Die Dame stürmt auf die beiden zu, nimmt Tommy an die Leine und führt ihn ab. Dann dreht sie sich noch zu uns um und schüttelt tiefverächtlich den Kopf. Ganze viermal! Ihr Urteil über uns ist damit gefallen. Wir passen nicht. Buddy schaut schuldig zu mir auf. „Nimm´s nicht persönlich“, tröste ich ihn und streichle sein liebes Gesicht. „Solche Damen trifft man immer wieder im Leben. Sie schauen nur bei jedem anders aus.“
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