Die Katze im Sack
„Aber schau wie lieb sie ist“, sagt P. mit verklärtem Blick. Wir huckerln bei einem Grad über dem Gefrierpunkt vor einem Stall und streicheln eine grau-weiße Katze. Mit jeder Sekunde Schnurren wird das Vorhersehbare unvermeidbarer. „Jetzt komm, wir adoptieren sie“, beschließt P. und weiß, dass meine Dauerausrede von wegen zu wenig Zeit gerade nicht greift. „Wir haben Platz und ich wünsche mir schon so lange eine!“
Wir verfrachten das heimatlose Tier – in Absprache mit der Stallbesitzerin – also ins Auto. Dass ich keine große Katzenfreundin bin, ist hinreichend bekannt. Meine Grundsatzbedingung für dieses ganze Wahnsinnsvorhaben ist demnach zumindest der direkte Weg zum Tierarzt.
Dort angekommen werden wir gefragt, wie „es“ heißt. Wir wissen es nicht. Auch nicht, ob das lange oder kurze Haare sind oder welche Farbe die Augen haben. Wir starren in die Box und mustern das Tier also laut Fragenkatalog.
Beim Warten röchelt „es“ komisch vor sich hin. „Sicher Corona“, flüstere ich P. vorwurfsvoll zu. Wir dürfen in das Ordinationszimmer, überlassen dem Arzt das Tier und erfahren, dass es ein Weiberl ist. Dann wird ihr Maul aufgespreitzt. „Oje, die Zähne sind großteils abgebrochen oder ausgefallen“, hören wir den vernichtenden Dentalaugenschein. „Na super“, sage ich P. mit Blicken. „Kein Problem - sowas kann man mit einer Prothese korrigieren.“ Ja, ganz bestimmt!
Jetzt ist der Körper dran. „Die ist ganz schön dick für eine Freigängerin“, merkt der Arzt an, während er über das flauschige Fell streichelt. Ich spüre zum ersten Mal etwas wie Mitgefühl für sie. Dann surrt ein Rasierer. Ziemlich lange sogar. „Ich finde hier am Bauch keine Sterilisationsnarbe, kann euch jetzt aber nicht die ganze Katze rasieren. Sie ist nämlich vielleicht schwanger.“ Ich verliere die Farbe im Gesicht und fordere einen Ultraschall. Bitte Gott! Diese eine Katze ist das allerhöchste der Gefühle!
Dann endlich Entwarnung. „Also... Ich sehe keinen Nachwuchs.“ Na Halleluja!
Weil´s eh schon wurscht ist, mache ich noch das komische Röcheln zum Thema. „Ja, ich höre es. Wahrscheinlich eine Verkühlung“, diagnostiziert der Doktor. Meine Güte, was hat dieses Viech eigentlich nicht?!
Bevor wir gehen, müssen wir noch ein „Familienfoto“ machen. P. hält das Tier glücklich und stolz mit der rasierten Stelle direkt in die Kamera. Ich stehe daneben und lächle so gequält, als hätte ich gerade eine Stecknadel geschluckt, von der ich weiß, dass sie noch heute unten wieder raus muss.
Wir bezahlen für den Check und eine Entwurmung, kaufen Katzenfutter, Streu und bringen das Tier in unser Zuhause. Wie meistens liegt kein Flankerl Staub am Boden. Die Decke im Wohnzimmer ist feinsäuberlich zusammengelegt. Es riecht nach Lavendel.
P. setzt die Katze auf den Teppich und wir uns zu ihr. „Bitte lass hier alles wie es ist“, beuge ich mich flehend runter. Sie kommt mit ihrer kleinen Nase ganz nah an mich. Um mir dann mit voller Wucht aus ihrem zahnlosen Gebiss nass ins Gesicht zu niesen. Ich fixiere P. aus kalten Augen. „Aber schau wie lieb sie ist...“, wiederholt er. Sichtlich unsicher und wissend schuldig.
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