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Ausgesperrt

Ich schaue meinem Baby in die Augen und gebe pantomimisch alles. Ich dehne meine langen Haxen und Arme so weit, dass er doch einfach checken MUSS, was ich meine. Zwischen uns ist eine Schiebetüre. 4 Meter lang. Dreifachverglast. Das Kind ist drinnen – und ich draußen. Weil ich nur kurz die Möbel auf der Terrasse abdecken wollte. Und er mich dabei rausgesperrt hat. Ein 1,5-Jähriger also unbeaufsichtigt (!!!) in der Küche – und ich hilflos und zunehmend hysterisch draußen. Ich hab ein Leiberl und Leggins an. Und Socken. Keine Jacke, keine Schuhe, keinen BH. So seh ich mich auf der Titelseite der Kronen Zeitung. Mit Feuerwehr im Hintergrund. „Naive Mutter vernachlässigt Junges wegen Loungegarnitur.“ Ich winke meinem Kind noch einmal und zeig ihm, wie er den Hebel einfach wieder rauftun könnte. Wobei: eigentlich ist er viel zu klein – selbst wenn er wüsste was ich will, würde er das schwere Trum nicht wieder aufmachen können. Ich suche hastig den Raum ab. Da liegt mein Handy am Tisch! Und das Besteck vom Frühstück! „Du bist die beste Mama“, steht auf einer Karte. Was für ein Hohn. Ich muss handeln!

Ich besänftige den Bub durch panische Hand-Bewegungen und fange an zu rennen. Ich spüre kleine, spitze Steinderl unter den Socken – und meinen Busen. Dann komme ich am Nachbar-Gatterl an und sprinte drüber. Ich laufe zum Wintergarten und dresche wie verrückt auf die Terrassentür. Meine Nachbarin steht quasi davor und ein leichtes Antippen hätte es auch getan... „Mein Kind hat mich ausgesperrt!!!!!&!! Ich muss bitte telefonieren!“ quietsche ich. Mein Herz rast. Was wird der Bub alles tun, während ich jetzt weg bin? Tut er sich mitm Buttermesser weh? Findet er die Süßigkeiten? Ist seine kindliche Seele langfristig durch meine abrupte Abwesenheit geschädigt? Wie konnte das eigentlich passieren? Und was sage ich später der Kronen Zeitung?!

Es dauert echte Sekunden – und gefühlte Stunden, bis ich jemanden von unserem Haus rüberschreien höre. Es muss brennen!!! Im Adrenalinrausch versuche ich der Person dort einer Funktion zuzuordnen. Weißer Bademantel, weißes Handtuch am Kopf – und das Gesicht meiner Schwiegermutter vom Haus direkt neben uns! „Was ist denn?“, will sie wissen. Ich schreie unserer Nachbarin wieder irgendwas zu und renne wie von Sinnen über die Steindln zurück. „Den Schlüssel!!! Er hat mich ausgesperrt“, bringe ich noch raus. Während meine Schwimu mit einer galanten Handbewegung das heilige Teil von ihrem Schlüsselkastl holt, versuche ich mich zu fangen. Dann sperre ich auf und stürme rein, als wären das Kind und ich über Wochen getrennt gewesen. Das spielt mittlerweile konzentriert mit einem Legoturm und weiß gar nicht, was ich eigentlich hab. Nämlich ein Riesenglück. Dass ich trotz meiner teilweise echt schweren Verpeiltheit immer wieder gut davon komm, dass ich so eine wunderbare Schwiegermama habe und – und das vor allem - dass ich morgen nicht ohne BH auf der Krone bin.

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